In diesem Blogartikel erfährst du, wie ich das Schreiben nach dem Tod meines Vaters und während der Pflege meines Opas für mich entdeckte und wie auch du von regelmäßigen Schreibübungen profitieren kannst. Dafür brauchst du täglich nur fünf Minuten Zeit und darfst auch mal einen Ruhetag einlegen, wenn es gar nicht anders geht. Hauptsache du schreibst!
Die Inhalte dieses Blogartikels
- Mein Weg zum Schreiben
- Wie ich auf das therapeutische Schreiben stieß
- Wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen des Schreibens
- Deine erste Schreibübung
- Vorbereitung
- Ins Schreiben kommen
- Die Schreibübung beenden – das Ernten
- Anregungen für deine kommenden Schreibeinheiten
Mein Weg zum Schreiben
Ich war nie ein Fan vom Tagebuchschreiben. Als ich 2010 für ein Jahr nach Dublin zog, fing ich an über mein bisheriges Leben zu schreiben, aber das verlief ebenfalls recht schnell im Sande. Ab April 2024 werde ich an einem Kurs zum autobiographischen Schreiben teilnehmen und versuche es somit noch mal.
Mein späteres Glückstagebuch / Dankbarkeitstagebuch , führte ich auch nie regelmäßig.
Erst ein Jahr nach dem Tod meines Vaters entdeckte ich die Kraft des Schreibens für mich und fing an, an ihn zu schreiben.
Der erste Eintrag, in das schönste Notizbuch im Haus, war noch etwas holprig und es fühlte sich komisch an.
Ein Jahr verging, bis zum nächsten Eintrag.
Nach und nach griff ich immer selbstverständlicher zu meinem Notizbuch.
Auch heute, 8 Jahre später, schreibe ich noch regelmäßig an meinen Vater und habe so eine Möglichkeit gefunden, eine Verbindung zu ihm aufrechtzuerhalten, aber auch einiges zu verarbeiten.
Als ich die Pflege meines Opas übernahm, und immer regelmäßiger in depressive Phasen rutschte, war es wieder das Schreiben, das mich rettete, als ich keinen Therapieplatz fand.
Ich schrieb über meine Gefühle und darüber, dass es okay und ganz normal sei, dass ich so fühlte, darüber dass ich mein Bestes gab und dass ich auch an mich denken musste. Ich schrieb über Grenzen, die ich setzen wollte und lernte durch das Schreiben für mich selbst da zu sein, wie eine gute Freundin.
Das Schreiben ließ mich wachsen und resilienter werden und ich entwickelte meine ganz eigenen Schreibmethoden.
Wie ich auf das therapeutisches Schreiben stieß
Erst einige Jahre später, im Jahre 2021, stieß ich auf den Begriff therapeutisches Schreiben und begann mich intensiv damit zu beschäftigen.
2022 belegte ich einen ersten Einführungskurs und bilde mich seitdem regelmäßig in dem Bereich weiter.
Ich bin überzeugt davon, dass das Schreiben viele pflegende Angehörige unterstützen kann. Gerade diejenigen, die vergeblich nach einem Therapieplatz suchen bzw. gar nicht die Zeit haben, um zur Therapie gehen zu können, weil ihnen einfach die entlastende Unterstützung fehlt, die ihnen dies ermöglichen könnte.
Die Ärztin und Poesietherapeutin Prof. Dr. med. Silke Heimes schreibt in ihrem Buch „ich schreibe mich gesund“:
Mein Traum ist eine Revolution im Gesundheitswesen: Menschen würden nicht länger als reperaturbedürftige Wesen verstanden, sondern als lebendige, kreative und ganzheitliche Individuen, bei deren Behandlung ihre Wünsche, Träume und Lebensgeschichten eine ebenso große Rolle spielen wie die körperlichen Symptome. Das Gesundheitssystem wäre nicht länger ein Wirtschaftszeig, sondern würde seinen Heilauftrag endlich wieder ernst nehmen. Kunst und Philosophie würden ebenso selbstverständlich zur Erhaltung der Gesundheit und Heilung eingesetzt wie Medikamente und Apparate. Es wäre ein Gesundheitssystem, in dem man die Menschen nicht länger als Nummer und Diagnose behandeln würde, sondern wieder als fühlende und denkende Wesen. Auf Plakaten würden Sätze stehen, wie >>Schreiben ist Leben<< und >>Schreiben hält gesund<<, und es gäbe Wegweiser zum nächsten Schreibort. Dort würden Schreibende sich treffen und sich ihre Texte vorlesen. Auf Rezepten würde stehen: >>Täglich 15 Minuten Schreiben<<, und Arbeitgeber würden ihre Mitarbeiter für diese Zeit freistellen. (S. 41)
Was für eine schöne Vorstellung! Aus wissenschaftlicher Sicht spricht nichts dagegen, auch im deutschen Gesundheitssystem dem Schreiben mehr Raum zu geben. Schau‘ selbst!
Wissenschaftlich nachgewiesene mögliche Wirkungen des Schreibens
Schon seit den 1980er-Jahren wird die gesundheitsfördernde Wirkung des Schreibens wissenschaftlich untersucht.
Alles begann in Amerika, wo das expressive Schreiben heute eine der anerkannten Kreativ-Therapieformen ist.
Weniger Arztbesuche & positivere Stimmung durch regelmäßiges Schreiben:
In den 1980ern zeigte das Forschungsprojekt von James Pennebaker und seinem Team, dass Menschen, die 4 Tage lang täglich 15 Minuten über ein (oder mehrere) belastende Erlebnisse schrieben, in den Wochen und Monaten darauf weniger häufig den Arzt besuchten, da sich ihre Gesundheit verbessert hatte und sie positiv gestimmter waren. Diese Ergebnisse wurden mittlerweile in zahlreichen Studien bestätigt.
Unterstützung des Immunsystems durch regelmäßiges Schreiben:
In vielen Studien konnte eine Stärkung des Immunsystems nachgewiesen werden, so konnte z.B. gezeigt werden, dass Schreiben über Belastendes bei AIDS-Patienten die Viruszellen reduzieren und die Helferzellen vermehren kann.
Bei Rheuma-Patienten führte das Schreiben nicht nur zu einer Verbesserung der Stimmung, sondern auch zu einer Reduzierung der Schmerzen.
Auch nach einem Herzinfarkt kann Schreiben die Gesundheit fördern: Einer Studie zufolge kann es hier bewirken, dass sich Herzbeschwerden reduzieren und weniger blutdrucksenkende Medikamente eingenommen werden müssen.¹
Klingt verrückt, oder? Genau das dachte ich auch lange.
Deine erste Schreibübung
Zu guter Letzt möchte ich dir hier ein paar Tipps geben, wie du mit dem Schreiben anfangen kannst. Die Schreibübung, die ich dir mit auf den Weg gebe, war die Erste, die ich als pflegende Angehörige meines Opas intuitiv nutzte. Ich hoffe, sie hilft auch dir! Bevor es ans Schreiben geht, widmen wir uns allerdings erst einmal der Vorbereitung.
Vorbereitung
Meiner Erfahrung nach ist das Wichtigste ein besonderes Notizbuch, eventuell auch mit Schloss, wenn du Angst hast, dass ein anderer deine Worte liest. Und dann kann es auch schon losgehen.
Oh, halt, du brauchst noch einen Stift, mit dem du gerne schreibst. Es gibt noch andere Dinge, aber über die kannst du dir später Gedanken machen:
- z.B. ein Ritual für den Einstieg ins Schreiben
- die richtige Uhrzeit fürs Scheiben und der passendste Schreibort.
Darum wird es heute nicht gehen, denn ich bin fest davon überzeugt, dass du nach und nach selbst herausfinden wirst, was dir beim Schreiben gut tut. Heute geht es erst einmal darum, dass du ins Schreiben kommst.
Ins Schreiben kommen
Am Anfang reicht es, wenn du nur 5 Minuten Zeit hast, ich selbst schreibe bis heute immer noch ungern länger als 10 Minuten am Stück.
Hast du fünf Minuten?
Dann schnapp dir dein Buch und deinen Stift.
Wie fühlst du dich?
Nicht bereit fürs Schreiben?
Dann atme erst einmal durch und fühle anschließend in dich hinein und frag dich noch einmal, wie fühle ich mich? Wie geht es mir?
Schreibe auf, was dir in den Kopf kommt.
Denkst du es ist okay, dass du dich so fühlst?
Was kommt dir sonst noch in den Kopf? Schreibe es auf, aber denke daran, es geht jetzt nur um dich und deine Gefühle und Bedürfnisse. Die To-Do-Liste darf ruhen, falls du über etwas auf der Liste schreiben möchtest, dann versuche dich darauf zu konzentrieren, was diese Aufgabe „gefühlstechnisch“ mit dir macht.
Wie fühlt es sich an, über deine Gefühle zu schreiben?
Die Schreibübung beenden – das Ernten
Das Ernten habe ich in einem Schreibworkshop mit Dr. Birgit Schreiber kennengelernt. Traditionell liest man dafür seinen Text noch einmal und vervollständigt dann einen Satz. Wenn du deinen Text nicht noch mal lesen möchtest, weil du das Gefühl hast, dass es dir gerade nicht guttun würde, dann überspringe diesen Absatz. Ansonsten vervollständige einen der folgenden Sätze, nachdem du deinen Text noch einmal gelesen hast:
- Wenn ich das lese, erkenne ich …
- Wenn ich das lese, fühle …
- Wenn ich das lese, möchte ich …
- Wenn ich das lese, bin ich überrascht …
Meiner Erfahrung nach, ist es aber nicht immer hilfreich seinen Text noch einmal zu lesen, vielleicht fühlst du ähnlich, dann kannst du nach der Schreib-Einheit einen der folgenden Sätze vervollständigen:
- Nach dem Schreiben erkenne ich …
- Nach dem Schreiben fühle ich…
- Nach dem Schreiben möchte ich …
- Nach dem Schreiben bin ich überrascht …
Anregungen für deine kommenden Schreibeinheiten
Vermutlich hast du beim Schreiben auf Rechtschreibung und Grammatik geachtet, sowie Fehler korrigiert, so haben wir es alle einmal gelernt.
Beim therapeutischen Schreiben ist das allerdings gar nicht wichtig, es kann sogar hinderlich sein, da du deinen Gedankenfluss stoppst, um Fehler zu korrigieren. Deine Gedanken sollen ungefiltert auf dem Papier landen.
Merke dir also für deine nächste Schreibeinheit, nichts muss perfekt sein, du darfst Rechtschreib- und Grammatikfehler machen, du wirst sie machen, denn unsere Gedanken sind schneller als der Stift.
Mir passiert es ständig, beim Schreiben zur Selbstfürsorge, dass ich Worte auslasse und neue Sätze beginne, ohne den vorherigen zu beenden, weil sich plötzlich mein Gedankengang ändert. Alles in Ordnung! Mach dir darüber keine Gedanken, Hauptsache du schreibst – „schreib dich gesund“, wie Silke Heimes so schön sagt.
Hat dir schon die erste Schreibübung gut getan, oder willst an einen Punkt kommen, wo es sich wirklich gut anfühlt? Dann komm‘ in die Facebookgruppe und tausche dich mit anderen schreibenden pflegenden Angehörigen aus. Wir freuen uns auf Dich!
Vor Kurzem habe ich angefangen Briefe an meinen Opa zu schreiben, den ersten Brief findest du hier.
Quellen:
¹ Vgl. Silke Heimes „ich schreibe mich gesund“, S.23-26